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I N H A L T
  Schuster/Gritton, "Suggestopädie in Theorie und Praxis" 
Einführung        Gesamtsequenz der Lernphasen
Definitionen Theoretische Arbeitsprinzipien
Kurzer Forschungsüberblick Kommunikationsmodell
Überblick über die Methode Das Georgekonzept
 

aus: Schuster/Gritton, "Suggestopädie in Theorie und Praxis", PLS Verlag, Bremen, 1986, S. 9 -29

Einführung

In diesem Kapitel werden wir die Grundlagen betrachten: Was ist SALT? Suggestopädie? Superlearning? Suggestologie? Zuerst werden wir einen Blick auf Definitionen werfen, dann auf ein Beispiel dafür, was SALT bewirken kann. Anschließend werden wir uns kurz einige Forschungsergebnisse, Theorie und eine typische Unterrichtsstunde ansehen.

Definitionen

Die Methode des suggestiv-beschleunigten Lernens nutzt Aspekte der Suggestion und ungewöhnliche Wege der Stoffpräsentation zur Beschleunigung des Lernvorgangs. Die Essenz dieser Methode besteht in der Anwendung einer unüblichen Kombination von körperlichen Entspannungsübungen, mentaler Konzentration und suggestiven Prinzipien zur Ich-stärkung der Lerner und zur Erweiterung ihrer Gedächtniskapazitäten, während der Lehrstoff dynamisch vor dem Hintergrund entspannender Musik vorgetragen wird. Viele der Einzelelemente dieser Methode sind in der westlichen Welt bekannt, aber Dr. Georgi Lozanov vom Forschungsinstitut für Suggestologie in Sofia war anscheinend der erste, der all diese Elemente zu einer integrierten und hocheffektiven Lehrmethode kombiniert hat.

Verschiedene Begriffe müssen hier definiert werden:

  1. Suggestologie: Suggestologie ist ein von Lozanov (1978) geprägter Begriff, der Lehre und Untersuchung von Suggestion in ihren theoretischen und praktischen Aspekten meint.

  2. Suggestopädie: Suggestopädie ist ein ebenfalls erstmals von Lozanov benutzter Begriff, der den Einsatz von Suggestion zur Verbesserung des Lernens und der Erziehung beinhaltet. In diesem Buch werden wir die Begriffe SALT und Suggestopädie bedeutungsgleich verwenden, obgleich kleinere Unterschiede bestehen, wie noch dargestellt werden wird. In den frühen siebziger Jahren entwickelten wir SALT (System of Accelerative Learning Techniques) als amerikanisches Gegenstück zur Suggestopädie, da uns damals nur fragmentarische Berichte von Lozanov vorlagen.

  3. Superlearning: Superlearning ist ein von Ostrander und Schroeder (1979) eingeführter Begriff, der sich auf ihr Buch und beschleunigte Lernmethoden wie SALT und Suggestopädie bezieht. In den deutschsprachigen Ländern werden die Begriffe "Superlearning" und "Suggestopädie" zunehmend synonym gebraucht. Insbesondere gilt dies für den Begriff "PLS-Superlearning", der durch den Bremer Psychologen Klaus G. Hinkelmann geprägt wurde.
Abschließend sei noch erwähnt, dass der Terminus SALT, so wie er in diesem Buch gebraucht wird, nicht mit der gleichnamigen Gesellschaft, der Society for Accelerative Learning and Teaching, identisch ist.

Kurzer Forschungsüberblick

Diese humanistische Lehrmethode ist in zahlreichen Feldstudien an öffentlichen Schulen der USA untersucht worden. Ihre Einzelelemente wurden in Laborstudien mit Collegestudenten analysiert. Die Feldstudien zeigten ziemlich konsistent, dass mit der SALT-Methode unterrichtete Schüler signifikant bessere Testergebnisse als die Kontrollgruppen erzielten, bisweilen auch signifikant positivere Einstellungen zum Lernen. Die Lehrfächer reichten von Lesen, Schreiben, Mathematik, Naturkunde, Kunst und Landwirtschaftsunterricht bis zu Deutsch und Spanisch für Anfänger. Die Klassenstufen reichten von der ersten Klasse der Grundschule bis zu Erstsemestern der Universität. Die Laborstudien haben die Hauptbestandteile der Methode signifikant bestätigt. Zahlreiche dieser Studien wurden im Journal of the Society for Accelerative Learning and Teaching publiziert, einige davon auch in NEUES LERNEN JOURNAL, der deutschsprachigen Fachzeitschrift für Suggestopädie.

Lozanov (1971, 1978) veröffentlichte die Ergebnisse von vielen seiner Pilotstudien, in denen er die Komponenten der Methode untersuchte. Mit ihrer Kombination wurden Beschleunigungen des Sprachlernens um den Faktor fünf und mehr erzielt. Pilotprojekte in den USA (Schuster 1972, Bordon und Schuster 1972) ergaben eine begrenzte Bestätigung dieser Ergebnisse: es wurde eine Beschleunigung des Sprachlernens um den Faktor drei erzielt. Wir werden später darauf zurückkommen.

Um dem Leser einen Eindruck davon zu vermitteln, was beim Unterricht mit dieser Methode geschieht, möchten wir zunächst einen kurzen Bericht über eine viertägige Lernsitzung geben, die von einem der Autoren 1975 durchgeführt wurde. Es handelte sich hierbei um zwei lernbehinderte Schüler der achten Klasse, die uns von ihren Eltern empfohlen worden waren. Sie hatten insbesondere Probleme in Mathematik und baten selbst zusätzlich um Hilfe bei der Rechtschreibung. Sie waren sehr gut für den Versuch einer Reproduktion der von Lozanov berichteten Ergebnisse geeignet.
Ich arbeitete mit ihnen im Wohnzimmer des elterlichen Hauses, da hier bequeme Sessel und eine gute Stereoanlage verfügbar waren. Sie absolvierten den Vortest in Rechtschreibung bereitwillig, weigerten sich jedoch, den Mathematikvortest auch nur in Betracht zu ziehen, da dies ihre eigenen Leistungserwartungen weit überstieg. Obgleich sich die Lozanovmethode von der im Klassenzimmer üblichen unterschied, wurden keinerlei Einwände von den Schülern oder ihren Eltern erhoben.

Wir nahmen uns einen Tag Zeit, um ihnen einiges Hintergrundwissen über die Methode zu vermitteln und einen weiteren, um sie vorzubereiten, den Vortest durchzuführen und günstige Anfangsbedingungen zu schaffen. Am zweiten Tag begannen wir mit der Lozanovpräsentation von 50 Wörtern schwieriger Orthographie und der Vorbereitung zur Einführung der Bruchrechnung im Rahmen einer Arithmetikstunde. Nachdem ich 50 Wörter aus einer Liste von 200 schwierigen Wörtern präsentiert hatte, bat ich die Kinder um einen Test. Dabei gaben wir keine Noten, sondern sahen ihnen einfach dabei zu, wie sie ihre Blätter selbst korrigierten. Ihre Ergebnisse waren ausgezeichnet. Am Ende waren sie überrascht und erstaunt über die Leichtigkeit und das Vergnügen, das sie gehabt hatten. Sie gaben Kommentare wie: "Es macht Spaß zu lernen, Lernen ist leicht, es ist wirklich nichts Schwieriges daran!"

Nachdem ich sie eine Weile darüber miteinander hatte sprechen lassen, entschied ich, mit der Arithmetikstunde zu beginnen, und genau hier kam ich nicht weiter. Zumindest kam ich nicht dazu, meine Lektion zu beginnen. Ich schlug vor, die Regeln für die Addition von Brüchen zu wiederholen, den Bereich, in dem am Vortag Schwierigkeiten aufgetreten waren und mit dem die Schüler nichts hatten zu tun haben wollen. Der Junge trat sogleich in eine Diskussion über die Notwendigkeit des kleinsten gemeinsamen Nenners ein. Habe man den gemeinsamen Nenner gefunden, so könne man die Zähler, oder die "Zahlen oben drauf", wie er sie nannte, einfach addieren. Das Mädchen pflichtete ihm in Lehrermanier bei. Als ich versuchte, die Subtraktion einzuführen, übernahmen sie sogleich wieder die Initiative und ließen mich lediglich die Regeln einführen. Ihre Lernbarrieren waren niedergebrochen, ihre Selbstakzeptanz war sehr hoch, und sie waren über ihre Ergebnisse freudig und angenehm überrascht. Sie konnten alle ihnen gestellten Aufgaben mit Leichtigkeit und ohne Rücksicht auf ihren Schwierigkeitsgrad lösen und hatten keinerlei Probleme oder Schwierigkeiten.

Am nächsten Tag begannen wir erneut mit weiteren 50 Wörtern aus der Liste von 200 schwierigen Wörtern. Sie machten ein Spiel daraus, mischten sie durcheinander, waren erregt und überglücklich und prüften wieder selbst ihre Antworten. Das Mädchen arbeitete noch immer mit 100% Erfolg, doch der Junge radierte richtige Antworten aus und änderte sie, so dass sie falsch waren. Offenbar war er darauf fixiert, dass er die Rechtschreibung nicht beherrschte, obwohl er sich die Wörter während der Lozanovpräsentation mit Musikhintergrund richtig eingeprägt hatte.

Auch am nächsten Tag begannen wir eine Arithmetikstunde und schlugen vor, über Division und Multiplikation zu sprechen. Die Schüler selbst führten nun die Regeln ein und diskutierten sie untereinander. Wir beobachteten dies mit Erstaunen, waren dies doch dieselben Schüler, die noch zwei Tage zuvor keinerlei Bruchrechnungsprobleme hatten lösen können und wollen. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, dass das Mädchen andere Regeln gelernt hatte als der Junge. Es gelang uns schließlich, das Mädchen davon zu überzeugen, dass die Regeln des Jungen einfacher und weniger kompliziert waren. Sie genoss es dann, dass sie nun Additions-, Subtraktions-, Multiplikations- und Divisionsprobleme mit den gelernten Regeln lösen konnte.

Am vierten Tag lernten sie dann wieder 50 Wörter, so dass sie nun 150 der 200 orthographischen Problernwörter beherrschten. Sie konnten sie korrekt vorwärts und rückwärts buchstabieren, allerdings fuhr der Junge fort, Wörter auszuradieren und zu ändern, so dass sie falsch waren. Wir sprachen dann über Prozentrechnung. Die Verhältnismethode war ihnen noch neu. Nach einigen Minuten sagten sie: "Wir wiederholen ja eigentlich nur unsere Bruchrechnung, es ist ganz einfach." Sie ergriffen wieder die Initiative und konnten alle Aufgaben problemlos bearbeiten.

Beide Schüler zeigten, im Vergleich zu vier Tagen vorher, eine völlig veränderte Einstellung zu sich selbst. Sie waren begierig, mit dem Unterricht fortzufahren. Ursprünglich hatten sie und ihre Eltern ja nur um eine Wiederholung in Mathematik zur Vorbereitung auf den bevorstehenden Algebraunterricht ersucht. Wir brachen das Experiment ab, nachdem wir diese Chance genutzt hatten, den erstaunlichen Effekt zu beobachten, den die Lozanovmethode haben kann, wenn der Lerner desuggeriert, ermutigt und sein Erwartungsniveau angehoben wird. Es hatte einfach Spaß und Freude gemacht, mit ihnen zu arbeiten, denn es gab nichts, was sie nicht vorwegnahmen oder wobei sie nicht sogleich die Initiative übernahmen. Dabei handelte es sich um Schüler, die von ihren Eltern als an Schule und Lernen desinteressiert, unfähig zur Bruch- und Prozentrechnung und unfähig zur Rechtschreibung geschildert worden waren. Innerhalb von nur vier Unterrichtstagen, einschließlich Einführung und Erklärungen darüber, was wir tun wollten, zeigten sie eine völlig gegenteilige Einstellung. Auch soweit es uns betraf, hatten wir das Ziel erreicht. Diese Erfahrung vergrößerte meinerseits den Wunsch, die Methode auch auf den Lernprozess im Klassenzimmer zu übertragen, da jeder Versuch mit der Lozanovmethode stets meine Erwartungen weit übertroffen hatte.

Um dem obigen subjektiven Bericht über Lozanovschen Unterricht eine objektive Note zu verleihen, geben wir hier, beginnend mit dem Vortest, die Testdaten des viertägigen Unterrichts wieder:
Rechtschreibung     Bruchrechnung
 VortestTest 1Test 2Test 3  VortestTest 1Test 2Test 3
Jane 30% 90% 100% 100% Jane 0% 90% 100% 80%
Joe 20% 90% 60% 60% Joe 0% 90% 90% 90%

Dies geschah 1975. Diese beiden Schüler waren vom Schulpsychologen als lernbehindert diagnostiziert worden und wegen ihrer schwachen schulischen Leistungen am Ende der achten Klasse einfach an die neunte "weitergegeben" worden (Anmerkung des Übersetzers: Im Schulsystem der USA gibt es kein "Sitzenbleiben" im deutschen Sinne). Normalerweise hätte man diesen Kindern einen baldigen Schulabgang vorhergesagt. Das geschah jedoch nicht. Beide beendeten die Schule erfolgreich und zwar in der leistungsmäßig oberen Hälfte ihrer Klasse. Im folgenden Jahr begannen beide ein Studium an der örtlichen Hochschule und beendeten ihr erstes Jahr dort befriedigend. Kürzlich beendete Joe sein vierjähriges Studium mit dem Erwerb eines naturwissenschaftlichen Abschlusses. Beim letzten Kontakt war Jane bei einem vierjährigen Ausbildungskurs für Krankenschwestern eingeschrieben. Ihrer beider Leistungen waren beeindruckend und mit Sicherheit weit jenseits dessen, was man von lernbehinderten Kindern erwartet hätte.

Fallgeschichten wie diese sind interessant, führen aber bestenfalls zu Vermutungen darüber, wie Lernen zu beschleunigen sei, nicht jedoch zu Beweisen. Bezüglich Feld- und Laborstudien, die die Wirksamkeit dieser Methode nachweisen, sei auf den ausführlichen Forschungsüberblick in diesem Buch verwiesen.

Überblick über die Methode

Die Grundprinzipien der Lozanovmethode sind:

  1. Lernen sollte durch Freude und die Abwesenheit von Anspannung gekennzeichnet sein.
  2. Als Menschen agieren wir auf bewussten und parabewussten Ebenen.
  3. Suggestion ist das Mittel, um normalerweise ungenutzte mentale Reserven für besseres Lernen nutzbar zu machen.

In der Methode gibt es drei grundlegende Phasen: - die Vorbereitungsphase - die Präsentationsphase - die Übungsphase

Diese drei Phasen werden wir in den folgenden Kapiteln detailliert beschreiben und hier zunächst einen Abriss geben. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Darstellung sich auf Sprachlernen bezieht. Für andere Stoffe mag eine andere Sequenz sinnvoll sein.

In der Vorbereitungsphase stellt der Lehrende eine angenehme Unterrichtsatmosphäre her, bevor er mit der Stoffdarbietung beginnt. Er erreicht das durch seine Gelassenheit und durch Äußerungen, die seine absolut positive Erwartungshaltung und Einstellung zum Ausdruck bringen. Er gibt Suggestionen im Wachzustand, die die desuggestiven Barrieren betreffen, durch die die Lerner ihre Lernfähigkeit auf die sogenannte Norm, den gesellschaftlichen Durchschnitt abgesenkt haben. Der Lehrer ist bei seiner Präsentation autoritativ, aber ehrlich und ist sich dessen auch bewusst. Er erklärt, dass zu erwarten ist, dass die Lerner ihre Lernfähigkeit dramatisch verbessern und dass eine Reihe unbenoteter Kontrolltests durchgeführt werden, damit die Lerner Gelegenheit haben, sich selbst zu beweisen, dass das auch tatsächlich geschieht. Der Lehrer vermittelt diese Botschaft in integrierter, konsistenter Weise auf bewusster und unbewusster, verbaler und nonverbaler Ebene. Dies zustande zu bringen, braucht Ausbildung und Übung.

Die Schüler bereiten sich vor der Präsentation des Stoffes durch verschiedene Arten von Übungen, wie körperliche Entspannungsübungen, mentale Entspannungsübungen (mind-calming) und Restimulation durch Wachrufen früherer angenehmer Lernerlebnisse vor. Beispiele hierfür werden in den folgenden Kapiteln gegeben.

In der Präsentationsphase wird der zu lernende Stoff in verschiedenen, in der gleichen Sitzung aufeinander folgenden Schritten dargestellt: zunächst ein Rückblick auf zurückliegendes Material, dann dynamische Präsentation des neuen Materials und schließlich dessen Wiederholung in einem passiven aber empfänglichen Zustand. Material voriger Sitzungen wird kurz wiederholt und mit dem der gegenwärtigen integriert. Der neue Stoff wird dann vom Lehrer auf dynamische, ausdrucksstarke Weise präsentiert. Typischerweise setzt der Lehrer dabei bei Alltäglichem an, das für die Schüler positiv und interessant ist. Er benutzt Imaginationstechniken und Dramatik zur Stoffvermittlung und kann auch bildhafte Vorstellungen suggerieren, um den Schülern beim Einprägen des Materials zu helfen. Die Schüler werden auch dazu angeleitet, den Stoff soweit als möglich sinnlich für sich erfahrbar zu machen.

Diese Präsentationstechniken fördern das Lernen mit dem gesamten Gehirn. Typischerweise wird verbales Material bei Rechtshändern primär mit Hilfe der linken Gehirnhemisphäre gelernt. Bei der Lozanovmethode werden nonverbales (parabewusstes) und verbales (bewusstes) Material simultan präsentiert, um beide Hemisphären in integrierter Weise zu stimulieren. (Anmerkung: Lozanov benutzt den Begriff "parabewusst" zur Kennzeichnung von Vorgängen außerhalb des normalen Wachbewusstseins, z. B. unterbewusster Vorgänge.)

Das neu zu lernende Material wird sodann in einer zweiten Phase wiederholt, wenn die Schüler sich in einem passiven aber aufnahmebereiten Zustand befinden, etwa demjenigen vergleichbar, als wenn sie ihre Lieblingsmusik hörten. Sie entspannen sich dabei zunächst mental mit Techniken wie beispielsweise der Beobachtung des eigenen Atems. Dann wird das Material synchron zu ihrem Atemrhythmus oder einfach gleichmäßig mit häufigen Pausen vorgetragen. Verschiedene Methoden hierzu werden weiter unten beschrieben. Das Material kann auch synchron zur Atmung und mit Musikhintergrund präsentiert werden. Die hierfür ausgewählte Musik hat einen bestimmten Rhythmus und wird in einer Lautstärke gespielt, die etwa der der Stimme des Lehrers entspricht.

Nachdem das Material in einem zweiten Durchgang in dieser pseudopassiven, konzertbegleiteten Weise präsentiert worden ist, werden einige Minuten lang mentale Entspannungsübungen (mind-calming) durchgeführt, um den Stoff
im Gedächtnis der Schüler zu fixieren und zu vermeiden, dass Ablenkungen die Aneignung und das Behalten beeinträchtigen.

In der Übungsphase wird das soeben präsentierte Material dann in einer herkömmlichen Arbeitsdiskussionen ähnlichen Art geübt. Diese Sitzungen finden am besten jeden zweiten Tag statt. Die Schüler können hier beispielsweise gebeten werden, sich das Lehrbuch oder gedrucktes Arbeitsmaterial anzusehen, während sie selbst Wörter und Sätze aus dem gelernten Stoff bilden. Sie können auch zu Zweier- und Dreiergruppen zusammengefasst werden, um diese Konversationsübungen durchzuführen. Gegen Ende der Sitzung werden sie dann gebeten, eine kleine Aufführung zu entwerfen, die für sie relevant ist, und sie sodann unter Teilnahme der gesamten Klasse aufzuführen. So üben sie das gelernte Material in spielerischer Weise.

Der Lehrer benotet die Schüler individuell aufgrund der bei der Aufführung des "Psychodramas" gemachten Beobachtungen. Kontrolltests werden zusätzlich gegen Ende der Übungssitzungen durchgeführt. Diese werden von den Schülern selbst bewertet und korrigiert und vom Lehrer nicht angesehen, es sei denn, dies wird von ihnen ausdrücklich gewünscht. Außerdem können vom Lehrer im Verlauf des Kurses zum Zweck der Benotung ergänzend zum Psychodrama eigene Tests angesetzt werden. Diese werden natürlich im Voraus angekündigt, und die Schüler werden suggestopädisch darauf vorbereitet.

Gesamtsequenz der Lernphasen

Nach Meinung der Autoren ist die Lozanovmethode deshalb so bemerkenswert wirksam, weil die Einzelkomponenten zu einer Gesamtheit integriert wurden, in der sie sich gegenseitig verstärken und ihre Effizienz kumulativ erhöhen.

In der Vorbereitungsphase besteht eine positive, suggestive Atmosphäre, die stark permissiv ist und sich von dem, was die Schüler normalerweise vom Unterricht in der Klasse gewohnt sind, unterscheidet. Als Resultat dessen beteiligen sie sich willig an den vorbereitenden Übungen, so z. B. den Streckübungen, die körperlich entspannend wirken. Dies wiederum macht es ihnen möglich, sich auch mental mit Übungen wie der Betrachtung des Atems zu entspannen. Die diesbezügliche Forschung weist klar darauf hin, dass Suggestion effektiver ist, wenn sich jemand in einem Zustand mentaler Entspannung befindet. Des weiteren ist nachgewiesen, dass sie auch dann wesentlich wirksamer ist, wenn sie in indirekter Weise statt auf direkte und befehlende Art gegeben wird.

Die Präsentationsphase ist ebenfalls sorgfältig sequentiert. In ihrem aktiven Teil wird der Stoff auf dynamische und aktive Weise vom Lehrer vermittelt. Die Schüler werden gebeten, den Stoff soweit wie möglich sinnlich zu erleben und auf die Suggestionen und Imaginationen einzugehen, die ihnen der Lehrer anbietet. Sodann wird der Stoff während der pseudopassiven Konzertphase wiederholt, wobei die Schüler dazu angeregt werden, sich die Imaginationen und Szenen der vorherigen aktiven Phase wieder zu vergegenwärtigen. Diese Phase stimuliert durch die Entspannung, die Musik, den freien Fluss der Imagination und die gleichzeitige Wiederholung des verbalen Materials beide Gehirnhemisphären. Dies ist ein wesentlicher Vorteil dieser Methode gegenüber herkömmlichem Unterricht, bei dem zumindest eine Beschränkung auf die primär verbales Material verarbeitende Hemisphäre stattfindet.

Die Ausarbeitsphase hat sowohl konventionelle als auch unkonventionelle Aspekte. Es ist hinreichend gut nachgewiesen, dass das Üben unmittelbar vorher gelehrten Stoffes das dauerhafte Lernen unterstützt. Allerdings hat Lozanov mit verschiedenen Mitteln den Druck aus dieser Phase entfernt. Den Schülern werden beispielsweise fiktive Namen, Identitäten und Biographien gegeben, so daß, wenn sie einen Fehler machen, nicht sie "selbst" verantwortlich sind. Das hilft, Peinlichkeit und Angst vor Versagen zu eliminieren. Außerdem tendieren die Schüler dazu, sich mit ihrem neuen "Ich" zu identifizieren und es als hilfreichen Kontext beispielsweise im Fremdsprachenunterricht zum Lernen der Sprache zu benutzen. Darüber hinaus werden die Tests am Ende jeder Sitzung nicht benotet. Der Lehrer sieht sie sich normalerweise nicht an, und sie werden von den Schülern selbst korrigiert und bewertet.

Hierdurch wird der Versagensangst zusätzlich entgegengewirkt. Noten werden ausschließlich auf der Basis von Abschlusstests und eventuell aufgrund der Leistungen im "Psychodrama" gegeben (dies wird weiter unten noch erläutert werden).

Zumeist entwickelt sich ein starker Schneeballeffekt bereits von der ersten Sitzung an. Mit Hilfe der unüblichen Techniken und Suggestionen lernen die Schüler tatsächlich von der ersten Sitzung an schneller und leichter als zuvor. Sobald sie dies bemerken, beginnt der Schneeball zu rollen. Sehr bald nähert sich ihr Lernen immer mehr der Perfektion und der durchschnittliche Behaltensgrad wird sehr hoch. Viele entwickeln in der Tat ein nahezu perfektes Gedächtnis für mit der Lozanovmethode gelehrten Stoff.

Zusammenfassung:

In diesem Kapitel haben wir für das Konzept beschleunigten Lernens wesentliche Begriffe definiert, ein Beispiel dafür gegeben, was SALT bewirken kann, wesentliche theoretische Konzepte aufgelistet, und eine typische Phasensequenz des SALT-Sprachenunterrichts betrachtet.

Wir definierten "SALT" als Suggestiv-Akzelerative Lehrtechnik, eine überlegene Unterrichtsmethode. Hierbei wird Entspannung, Suggestion, dramatische Stoffpräsentation, Imagination, ruhige, musikbegleitete Stoffwiederholung, spielerische Ausarbeitung des Gelernten und schließlich ein benoteter Test benutzt. Das SALT genannte amerikanische Gegenstück zur europäischen Suggestopädie Georgi Lozanovs ist im wesentlichen mit letzterer identisch. Suggestopädie ist die systematische Erforschung und Verwendung von Suggestion zum Zweck der Verbesserung von Lernen und Erziehung. Suggestologie betrifft die Untersuchung von Suggestion an sich. Der Begriff "Superlearning" ist ein populäres Schlagwort zur Kennzeichnung beschleunigten Lernens im allgemeinen und bezieht sich im Besonderen auf ein gleichnamiges Buch Ostranders und Schroeders (1979).

Eine typische SALT-Unterrichtssitzung hat drei größere Phasen: Vorbereitung, Stoffdarbietung und Übungsphase. In einer SALT-Klasse herrscht eine entspannte, durch Spaß geprägte Atmosphäre. Dies basiert auf der Theorie, dass Lernen Freude machen und frei von Anspannung sein sollte. Eine weitere theoretische Annahme ist, dass Menschen stets auf der bewussten und der unbewussten Ebene agieren und Suggestion der Schlüssel zur Nutzung unserer mentalen Reserven, also auch zum beschleunigten Lernen ist.

Fragen:

  1. Definieren Sie: Beschleunigtes Lernen, SALT, Suggestopädie, Suggestologie, Superlearning, Lernbarrieren, Restimulation.
  2. Nennen Sie einige ungefähr synonyme Begriffe für beschleunigtes Lernen. Worin unterscheiden sie sich?
  3. Wie hoch ist typischerweise der durch SALT-Unterricht erzielte Beschleunigungsfaktor verglichen mit herkömmlichen Unterrichtsmethoden bei noch unerfahrenen Lehrern? Bei erfahrenen?
  4. Welche sind die drei aus der Psychotherapie stammenden Prinzipien der Suggestopädie?
  5. Wie sieht die Abfolge der Aktivitäten in einer SALT-Sitzung aus?

(Fortsetzung)     Theoretische Arbeitsprinzipien

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