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Lebensschule
 

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Dr. Elmar Struck

Danke! Bitte! Kann ich helfen?
Achtsamkeit hat mit gegenseitiger Achtung zu tun. Das wollen wir doch alle.

„Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus!“ Das Leben ist leichter und wir bekommen es vielfach wieder zurück, wenn wir immer daran denken und auch so handeln.

Der Ton macht die Musik

Warum Höflichkeit und Aufmerksamkeit anderen gegenüber ganz und gar nicht spießig sind

Hilfsbereitschaft

Höflichkeit und Hilfsbereitschaft sind keineswegs „out“, sondern vielmehr lebensnotwendig für jede Gesellschaft.

Frage: Jetzt, wo unsere Kinder aus dem Haus sind, könnten wir es eigentlich ganz gut haben. Wir hatten nämlich oft Streit wegen der Erziehung. Mein Mann geht sehr direkt und - wie er es nennt - schnörkellos mit den Leuten und auch mit den Kindern um. Mit mir sowieso. Ein Bitte und Danke kommt dabei nicht über seine Lippen. Unsere Kinder hat er dementsprechend erzogen. Selbst auf die kleinen Enkelkinder färbt es schon ab. Sie sollten bloß keine „Spießer“ werden, die äußerlich höflich und angepasst sind, innerlich aber ganz was anderes denken. Sein Vater, den ich nicht mehr gekannt habe, muss wohl dieser angepasste Spießer gewesen sein. Von dem will er sich absetzen. Auch ich sei ihm viel zu höflich, vorsichtig und angepasst.

Neulich war er mit unserem Enkelkind einkaufen und es bekam beim Metzger ein Stück Wurst. „Mehr Wurst“, habe der Kleine daraufhin gesagt und das fand mein Mann ganz toll. Das ist schon fast wie im Witz, aber es stimmt mich traurig. Seinen Kindern und Enkelkindern predigt er, dass sie eben nicht brav anstehen, sondern sagen, was sie wollen.

Eigentlich ist mein Mann eher gutmütig und auch hilfsbereit. Auf der Arbeit gilt er allerdings als „Bollerkopp“. Selbst unser Pastor, der wirklich nicht auf den Mund gefallen ist, geht ihm schon aus dem Weg. Wir beide geraten meist nur beim Thema Erziehung aneinander und mich beschimpft er dann ganz schnell als „so deutsch“ oder „so spießig“. Dadurch ist unser Verhältnis im Laufe der Zeit sehr rau geworden. Ich weiß auch, dass da wenig zu verändern sein dürfte. Aber liege ich denn so ganz falsch?

 
Antwort von Dr. Elmar Struck:

Sie können vielfach beobachten, dass sich unser Denken über Erziehung und über Umgangsformen wieder zu wandeln beginnt. Höflichkeit steht dabei wieder hoch im Kurs. So manch einer der heute 50- bis 60-Jährigen hatte sich von seinen Eltern nicht nur in diesen Dingen deutlich abgesetzt. So ist auch ihr Mann der Vorstellung gefolgt, dass sich durch eine offene, direkte und unverstellte Rede die Beziehungen untereinander verbessern lassen. Auf diese Haltung ist er stolz, so dass er kaum Rabatt auf seine Lebensphilosophie geben kann.

Leider ist diese Überzeugung nur manchmal richtig, da das Gute oder gut Gemeinte öfter etwas Böses und das Böse gelegentlich etwas Gutes nach sich zieht. Über mehr Anerkennung seiner ja durchaus guten Absicht könnte ihr Mann sich leichter auch für Ihre Vorstellung öffnen.

Darüber hinaus könnte ihn der Hinweis zum Nachdenken anregen, dass etwas an seinem Verhalten irgendwie auch „sehr deutsch“ anmutet. Kommen nämlich Besucher aus dem westlichen Ausland oder gar aus Asien nach Deutschland, sind sie oft erschrocken über die unhöflich rüde Art, die hier herrscht. Umgekehrt erleben wir doch ein „merci“, ein „grazie“, ein „thank you“, ein „excuse me“ in diesen Ländern als ausgesprochen angenehm. Es wirkt auch keineswegs brav. Insofern lässt sich Höflichkeit aus ganz anderen Motiven heraus entwickeln, als denjenigen, die seinen Vater bewegt haben mögen.

Schließlich sehen wir heute immer deutlicher, wie sehr wir alle voneinander abhängig sind und gerade wegen großer individueller Unterschiede auf Formen der Höflichkeit, auf Bitten und Danken angewiesen sind. Mit brav oder gar mit „deutsch“ hat das wenig zu tun, wie wir bei unseren Nachbarn sehen können. Eher ist das Gegenteil ein nationales Charakteristikum. Spätestens unsere Enkelkinder müssen von uns diese Formen, müssen Bitte und Danke und anderes mehr wieder lernen. Gesellschaftliche Vorstellungen der vergangenen Jahrzehnte waren - wie berechtigt auch immer - zeitnotwendige aber vorübergehende Erscheinungen und kein Evangelium für alle Zeit. Davon gibt es bekanntlich nur eines.

 
Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Heft 49/2006
 

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