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Lebensmittelkontrolleur
Dietrich Fischer, 52 Jahre, Frankfurt
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Ein paar Wochen lang ist Dietrich Fischer Stammkunde eines Frankfurter Supermarktes gewesen, ohne dort jemals etwas gekauft zu haben. Geklaut hat er aber auch nichts. Trotzdem war sein Erscheinen für den Marktleiter keineswegs erbaulich. Denn Fischer ist Lebensmittelkontrolleur und guckt dort ganz genau hin, wo die Kunden nicht hinkommen: unter Regale, hinter Theken, in Lagerräume und ins Kühlhaus.

Das Kühlhaus des Supermarkts war bei Fischers Erstinspektion bis unter die Decke mit Waren vollgestopft. Das Kühlgerät streikte bei solchen Mengen: Vier Grad zu viel registrierte das Laserthermometer. Obst und Gemüse konnte der Supermarkt mangels Kapazitäten nicht mehr kühlen.

Fischer verhängte ein Bußgeld, kam nächste Woche wieder und die übernächste und die darauffolgende - stets unangemeldet. Denn das "Vollstopfen" des Kühlhauses stellte sich als Regelverstoß heraus. Erst nach eine Reihe weiterer Bußgelder entschuldigte sich die Handelskette.

Fischer ist keiner, der gleich mit dem Holzhammer kommt. "Doch wenn ich das Gefühl habe, dass der Verbraucher zu Schaden kommt, kenne ich keine Gnade." Das bekam ein Metzger zu spüren, der monatelang seine Wurstschneidemaschine nicht gereinigt hatte: Mehr als 1000 Mark Strafe waren fällig. Sieht es in einem Betrieb ganz besonders übel aus, kann der 52jährige ihn sofort dicht machen - das widerfuhr beispielsweise einem Asia-Imbiss bei einem Straßenfest. Dort waren die Hühnchen nicht gekühlt, Obst und Gemüse auf der Straße gelagert, und die Köche standen förmlich im Abfall.

"Eigentlich ist es dann schon zu spät", bedauert Fischer. Er setzt lieber auf Beratung und Prävention. "Es geht nicht darum, die Leute abzuzocken. Man muss auch über die Gesetze aufklären, denn da blickt kaum noch einer durch." Bei einem Harheimer Hotel, das er heute ansteuert, hat's geholfen. Der Geschäftsführer hat sich auf Fischers Rat ein Laserthermometer angeschafft und damit schon morgens festgestellt, dass seine Eistheke nicht kalt genug ist. Also gibt es heute kein Eis. Fischer lässt sich die Küche zeigen, misst die Temperatur in den Kühlfächern, lässt seinen Blick langsam in alle Ecken wandern. Alte Fettreste, Schimmel und sonstigen Dreck würde er ebenso erkennen und beanstanden wie verdorbene Lebensmittel.

Wie es in einer Küche zugeht, weiß Dietrich Fischer sehr genau. Denn er hat als Koch in diversen Großunternehmen gearbeitet, ehe er 1977 zum Amt für Lebensmittelkontrolle kam. Auch seine Kollegen sind alle Quereinsteiger, die eine zweijährige Zusatzausbildung absolviert haben. Die Behörde bevorzugt erfahrene und auch gestandene Leute. "Verbale Auseinandersetzungen kommen des öfteren vor", berichtet Fischer. Nur knapp verfehlte ihn einmal ein Metzger mit seiner Aufschnittmaschine. Schnell übel werden darf dem Kontrolleur auch nicht. Fischer blättert in seinem Fotoalbum: stark verschimmelte Salami, sporenübersäte und fettverschmierte Küchenwände, angelaufene Frikadellen, verklebtes Fleisch, tote Mäuse.

Fischer arbeitet aber trotzdem noch immer gern in seinem Beruf. "Man kommt viel mit Menschen in Kontakt, ist häufig unterwegs und sitzt nicht lange im Büro." Richtig aufregen kann er sich aber über die dünne Personaldecke: Gerade einmal neun Kontrolleure gibt es in Frankfurt - zuständig für Tausende von Betrieben. (ram)

Weitere Informationen beim Landesverband der Lebensmittelkontrolleure: Telefon 069 / 79 58 65 64 .

FR vom 15.7.1999

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