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Individualisierung virtuell           [ zurück zur WIRTSCHAFT Titelseite ]
   
  Manfred Maus / Brigitte Hommerich
Es ist das Individuelle, das Unverwechselbare,
das den Status des Konsumenten definiert.

Von Drumm 1989 in die betriebswirtschaftliche Diskussion eingeführt, zählt die Individualisierung heute zu den Grundpostulaten des Personalmanagements. Unmittelbares Ziel ist, den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht zu werden, indem jeder Arbeitsplatz nach den individuellen Fähigkeiten und Wertvorstellungen gestaltet wird.

Die situativen Veränderungen, die ein "Abrücken von kollektiven Regelungen" auslösten, beschreibt Drumm in vier Veränderungs- und zwei Wirkungsthesen, die hier graphisch zusammengefaßt werden:

 
  komplexere
Arbeitsstrukturen
differenzierte
Höherqualifikation
gesteigertes
Selbstwertgefühl
differenzierte Werte
& Berdürfnisse
 
  Heterogenität des Personals fordert individualisierte personalwirtschaftliche Problemlösungen  
   
  gesteigerte Motivation  
   
  gesteigerte Effizienz  
 
Auslöser und Wirkungen der Individualisierung

Soziale Effizienz durch differentielles Personalmanagement wird demnach durch gesteigerte ökonomische Effizienz gerechtfertigt. Die vermuteten Zusammenhänge zwischen Individualisierung und Motivation sowie zwischen Motivation und Effizienz, bzw. Leistung, werden bisher nur theoretisch gestützt. Exemplarisch sei auf die detaillierte Theorieanalyse von Keller Pfrunder verwiesen, die den Zusammenhang zwischen Individualisierung und Effizienz am Beispiel des Cafeteria-Ansatzes untersucht.

Destandardisierung und Delegation können auf einer Vielzahl von Kriterien beruhen. Folgende Graphik faßt einige der in der Literatur wiederholt vorgeschlagenen Handlungsfelder und Kriterien zusammen (z.B. Drumm 1989; Schanz 1994; Scholz 1994a).


Symptome einer Individualisierung

Drumm räumt ein, "daß die Individualisierung personalwirtschaftlicher Problemlösungen keineswegs für das gesamte Personal möglich ist". Das Effizienzkriterium gebietet, Individualisierung "nur dort [...] voranzutreiben, wo sie bessere [...] Ergebnisse als kollektive Regelungen erbringt" - was insbesondere in "hochkomplexen Arbeitsfeldern" der Fall sein dürfte.

In Anbetracht der Komplexität virtueller Organisationen drängen sich individuumszentrierte Lösungen geradezu auf. Als "lebendes System" beruht diese Organisationsform auf der dezentralen Selbstorganisation ihrer Subsysteme, sprich ihrer Kernkompetenzträger. Individualisierung kann sich hier jedoch nicht auf materielle Faktoren wie innovative Vergütungsstrukturen oder familienfreundliche Urlaubszeitregelungen, beschränken. Die ökonomische Effizienz virtueller Organisationen beruht auf dem immateriellen - intellektuellen wie emotionalen - Zusatznutzen ihrer Spielmacher und Firmenexperten. Für diese Positionen kommen nur Menschen in Frage, die die persönliche Herausforderung und Raum für Selbstverwirklichung suchen. Nur bei ausreichendem Handlungsfreiraum sind unstrukturierte, dynamische Situationen souverän zu managen - immer mit dem Ziel der Maximierung des eigenen Wertschöpfungsbeitrages.

Bei Bezug auf virtuelle Unternehmen verlieren auch die von Drumm angeführten Bedenken ihre Bedeutung:
 
Grenzen der Individualisierung nach DRUMM   . . . bezogen auf virtuelle Unternehmen
  • Verstößt gegen Grundsatz der Gleichbehandlung
  • Kollektive Regeln behindern Innovationen & adäquate Reaktionen auf die dynamische Umwelt
  • Führt zu einer unüberschaubaren Vielfalt von Einzelregelungen und bremst so u.U. Entscheidungsprozesse
  • Hochqualifizierte Kernkompetenzträger treffen Entscheidungen eigenverantwortlich
  • Überfordert den Vorgesetzten
  • Keine Hierarchien
  • Erhöht Koordinationsbedarf und -aufwand
  • Koordination durch Selbstorganisation

Das generelle Potential der Individualisierung als "zukunftsrelevantes Paradigma" diskutiert Scholz. Er unterscheidet

Die persönliche Individualisierung ist Sache jedes Einzelnen und soll hier nicht weiterverfolgt werden. Ob betriebliche Individualisierung als Erfolgsfaktor Bestand hat, hängt maßgeblich von der vorliegenden Organisationsform ab.

Als Analogie zur virtuellen Organisation, zur "'best-of-everything' organization", dient die Besatzung des Raumschiffs Enterprise in der Fernsehserie Star Trek. Jedes Crewmitglied hat seine individuelle Stärke, seine Kernkompetenz. Die komplexen, immer wieder neuartigen Aufgaben können effizient gelöst werden, weil jedem Mitglied der nötige Handlungsspielraum gewährt wird und es sich seiner Identität voll bewußt ist. Im Extremfall läuft eine derartige Individualisierung jedoch auf narzißtische Selbstinszenierung hinaus, die die gewährten Freiräume zur Konstruktion ständig wechselnder Identitäten nutzt. Da diese "Cyberpunks" ihre Kreativität primär in den Dienst ihres Egos statt in den der virtuellen Organisation stellen, gefährden sie Erfolg und Zusammenhalt des Gesamtsystems. Ein Minimum an Führung und Kontrolle ist demnach auch in virtuellen Organisationen unerläßlich.

Im Gegensatz dazu stehen Strukturen, die eine "vordenkende Zentrale" beibehalten. Die Zentrale definiert das Mitarbeiterideal und zeichnet Karrierewege vor. Individualität hindert daran, diese zu beschreiten und wird zum Mißerfolgsfaktor des Einzelnen. Zur Illustration dieser Situation eignet sich der Roman "Mikrosklaven" von Coupland, eine ironische Schilderung der Uniformität der Mitarbeiter des Softwareunternehmens Microsoft.

"Beide Organisationsformen stehen [noch] in evolutorischem Wettbewerb, über dessen Ausgang [und somit auch über die Zukunft der Individualisierung als Paradigma] letztlich Macht und Markt entscheiden".

 http://www.orga.uni-sb.de/lehre/seminar/9798/Daniela/danys_KK/individu.htm 

 

 
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